Einschlagende Wappenschilde oder
wofür Werbeagenturen eigentlich da sind.
Die Stadt Oldenburg hat sich ein neues Logo verliehen. „Sich“ ist hier wörtlich gemeint: In allen von uns wahrgenommenen offiziellen Verlautbarungen wird stolz angeführt, die Wort-Bild-Marke sei aus eigener Kraft zusammen mit der OTM (Oldenburger Tourismus und Marketing) entwickelt worden. Wir haben in der Agentur über das Design intern kurz, aber intensiv diskutiert und möchten andere an unserer Diskussion bzw. Meinung teilhaben lassen. Dabei soll es nicht darum gehen, Bashing zu betreiben; stattdessen wollen wir uns mit der Gestaltung möglichst so auseinandersetzen, als wäre das Logo ein Entwurf z.B. aus einer Mediengestalter-Prüfung – als Unternehmen mit drei Personen im IHK-Prüfungsausschuss ist das für uns sozusagen Alltag.
Das beherrschende Element, die Bildmarke, ist ein schräggestellter Wappen-Schild in der charakteristischen rot-gelben Optik des Oldenburger Wappens. Die Geschichte dazu gibt es hier.
Im Oldenburger Stadtwappen steht der Schild des Grafen Friedrich (im Tor der „Oldenburg“) genauso schräg wie im Wappen – Wiedererkennung, Zitat! Nur weiß das im Zweifel niemand. Auf geschichtlich nicht interessierte (und) Touristen und uns wirkt das Element leider ein bisschen wie eine… Granate?, die im Begriff ist, sich in den Boden zu bohren. In Zeiten wie diesen – und auch sonst – nicht die zweckdienlichste Assoziation. Durch die Schrägstellung geht auch die direkte Erkennung als Wappenschild leider fast verloren. Obendrein zeigt eben alles streng nach unten. Schon Schüler der FOG (Fachoberschule Gestaltung) lernen: So kann man „Zuversicht, Zusammenhalt und Teamgeist“ (Wörter aus der Vorstellung durch OB Krogmann) nicht vermitteln. Sondern möglichst immer „nach oben rechts“, wenn etwas in die Zukunft weisen soll. Dass es keine Option gewesen wäre, den Schild gerade (laaaangweilig!) oder gar mit der Spitze nach oben rechts (startende Rakete?) darzustellen, ist uns schon klar. Aber wenn das nicht passt… passt vielleicht das Bildelement insgesamt nicht als Charaktermarke einer modernen Großstadt von fast 200.000 Einwohnern, die sich etwas auf Ihr junges „Start-Up-Klima“ einbildet. Der mittelalterliche Wappenschild als bildliches wortwörtliches Aushängeschild des Oldenburg von heute? Ernsthaft?
Die Schrift: schlicht, serifenlos, schwarz. Modern? Nein, eher retro. Die hier verwendete Myriad regular ist eine der Standard-Agenturschriften der Neunziger Jahre gewesen und für jemanden, der in dieser Zeit schon bewusst sehen und lesen konnte, ungefähr so modern und zukunftsweisend wie eine frische Times New Roman, die ursprüngliche Standard-Schrift in Microsoft Word. Keine Individualität, keine Idee dahinter?
Linksseitig ist das Wort „Stadt“ leicht eingerückt und schließt nicht mit „Oldenburg“ ab – an sich kein Problem, wenn es optisch Sinn macht. Da aber die „Granate“ von oben links nach unten rechts zeigt, drängt da eigentlich nichts ins Bild, was das rechtfertigen würde – ein Versehen? Hoffentlich nicht…
Da wäre noch einiges mehr zu sagen, wir fanden diese Punkte aber am schlimmsten an dem aus unserer Sicht schwer missglückten Logo, das aus unserer sympathischen, gemütlichen, aber wachen Heimatstadt ein altmodisches Provinznest macht.
Jetzt könnte (und darf) man hierzu sagen: Typisch Agenturfuzzis, nerven uns mit ihrem Design-Gedöns. Korrekt! Aber dafür sind wir nunmal da. Wenn es darum geht, Modernität, Zukunft und Aufbruch durch Wort und Bild darzustellen, dann können wir (und andere Agenturen natürlich auch) das so tun, dass alle oder fast alle diesen Anspruch auch wahrnehmen. Hat niemand aus dem Kreis der Logo-Gestalter und -Verabschieder bei der Stadt Oldenburg jemanden gefragt, „der sich wirklich mit sowas auskennt“? Das wäre nicht schwer gewesen, auch ohne Budgets im 5- oder 6-stelligen Bereich. Wir finden: Das neue Logo kommuniziert im Gegenteil zum beabsichtigten Eindruck Piefigkeit, Beliebigkeit und mangelnde Inspiration. Dahinter steckt, und das ist das Schlimmste, kein Gedanke an die Zukunft und die eigene, die Oldenburger Persönlichkeit.
Das letzte Oldenburger Stadt-Logo – ja, erkennbar in die Jahre gekommen – steht für eine Idee und funktioniert als wiedererkennbare Formulierung eines Anspruchs: Wissenschaftsstandort („Übermorgenstadt“), Vorstellungskraft, die ungewisse, aber positiv besetzte Vorstellung von Zukunft. Und das neue…?
Von Constantin Kaloff, dem langjährigen Kreativ-Geschäftsführer der Agentur Jung von Matt gibt es die Geschichte, er habe auf ihm vorgelegte Entwürfe gern „dgnw“ geschrieben – „da geht noch was!“ Das trifft es schon ganz gut.
Schade, Oldenburg!
Nils Mönkemeier